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03. November 2020

Bauaufsichtliche Anforderungen an Baugrubenumschließungen

Bettina Hemme, DIBt

Das DIBt erhält immer wieder Anfragen, ob für Baugrubenumschließungen allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen und/oder allgemeine Bauartgenehmigungen benötigt werden. Nachfolgend möchten wir Sie über die bauaufsichtlichen Anforderungen informieren und deutlich machen, in welchen Fällen Bauprodukte und Bauarten (Bauverfahren) für Baugrubenumschließungen bereits hinreichend bauaufsichtlich geregelt sind.

Nach der Musterbauordnung (MBO) sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 MBO gehören auch Hilfseinrichtungen zur statischen Sicherung von Bauzuständen zu den baulichen Anlagen.

Daher handelt es sich bei Baugrubenumschließungen um bauliche Anlagen im Sinne der MBO. Als bauliche Anlage unterliegen Baugrubenumschließungen damit bauaufsichtlichen Anforderungen. Dies gilt vor allem für den Nachweis der Standsicherheit (vgl. MBO § 12), insbesondere hinsichtlich der am Baugrubenrand anstehenden Bebauung bzw. angrenzenden Verkehrsflächen.

Wie aus dem Begriff „Hilfseinrichtung“ hervorgeht, sind Baugrubenumschließungen nicht als dauerhafte Bauwerke bzw. Gebäude angelegt, sodass Fragen der Robustheit gegenüber Ausführungstoleranzen und der Dauerhaftigkeit für die verwendeten Bauprodukte und Bauarten von untergeordneter Bedeutung sind.

Dies ergibt sich im Wesentlichen durch folgende Besonderheiten der Baugrubenumschließung:

  • Kurzzeitanwendung, üblicherweise angenommen mit < 2 Jahren, aber auch für längere Zeiträume möglich
  • kontinuierliche Überwachung durch Fachleute während der Herstellung des eigentlichen Bauwerks, eingebettet in die jeweiligen Genehmigungsprozesse sowie vertragliche Vereinbarungen zwischen den am Bau Beteiligten
  • weitreichende Regelungen zur Baustellensicherheit und zum Arbeitsschutz während der Baumaßnahme
  • (Teil-)Zugänglichkeit der Bauteile durch konstruktionsbedingte Freilegung
  • sukzessiver vollständiger bzw. teilweiser Rückbau der Baugrubenumschließung, einhergehend mit dem Baufortschritt der eigentlichen baulichen Anlage, die schrittweise die Funktion der Baugrubenumschließung übernimmt.

Baugrubenumschließungen bestehen in ihrer Gesamtheit aus einzelnen geotechnischen Gründungs- bzw. Sicherungselementen. In der Regel werden diese mit gängigen und technisch erprobten Verfahren des Spezialtiefbaus aus Bauprodukten erstellt.

Bei den üblichen Bauverfahren des Spezialtiefbaus werden Bauprodukte verwendet, wie z.B. Zement, Beton/Stahlbeton, Stahl, Holz, Zusatz- und Zuschlagstoffe etc., für deren Verwendung es Technische Baubestimmungen gibt.

Auch typische geotechnische Gründungs- und Sicherungsbauteile (z.B. Verpressanker, Pfähle) sind normativ erfasst. Regelungen in den Technischen Baubestimmungen hinsichtlich ggf. ergänzender Nachweise beziehen sich meist auf Fragen der Dauerhaftigkeit, wie z.B. den Nachweis eines ausreichenden Korrosionsschutzes. Diese gesonderten Nachweise sind für die Kurzzeitanwendung in der Regel nicht erforderlich.

Eine Baugrubenumschließung ist grundsätzlich statisch zu bemessen. Bei sehr komplexen Baugrubenumschließungen, vor allem auch bei dicht anstehender Nachbar-/Randbebauung, kann ein Prüfsachverständiger für Erd- und Grundbau im Sinne der Muster-Verordnung über die Prüfingenieure und Prüfsachverständigen (M-PPVO, Dezember 2012) einbezogen werden, der die Interaktion zwischen Boden und Tragwerk beurteilt. Die Beauftragung erfolgt nach Maßgabe des Landesrechts durch den Bauherrn, wenn dies für den Nachweis der Standsicherheit der baulichen Anlage erforderlich ist.

Die Baugrubenumschließung wird auf der Grundlage der Technischen Baubestimmungen statisch bemessen. Dies sind u.a. die Eurocodes, insbesondere DIN EN 1997 „Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik“ in Verbindung mit DIN 1054 „Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau“. Für Gründungs- und Sicherungsbauteile, die unter Beimischung von anstehendem Boden (HDI, Bodenmischverfahren) hergestellt werden, kann nach DIN 4093 „Bemessung von verfestigten Bodenkörpern - Hergestellt mit Düsenstrahl-, Deep-Mixing- oder Injektions-Verfahren bemessen werden.

Die Ausführung (Errichtung) ist üblicherweise hinreichend über die sogenannten Ausführungsnormen geregelt, die zwar nicht alle als Technische Baubestimmungen bauaufsichtlich bekannt gemacht sind, aber für alle üblichen Verfahren als geeignete technische Regeln zur Verfügung stehen, die auch allgemein anerkannt sind, sodass eine Bauartgenehmigung gem. § 16a Abs. 2 MBO nicht erforderlich ist.

Ein Verwendbarkeitsnachweis für die verwendeten Bauprodukte ist nur dann erforderlich, wenn keine Kennwerte für die statischen Bemessung vorliegen. Hierzu gehören beispielweise Ankerköpfe mit nicht geregelten Verbindungen (z.B. Klemmverbindungen). Darüber hinaus werden nur bei wesentlichen Abweichungen von den Technischen Baubestimmungen Verwendbarkeitsnachweise erforderlich (vgl. § 17 MBO). Abweichungen, die sich konstruktionsbedingt oder durch Reduzierung der Anforderungen an die Dauerhaftigkeit ergeben, können im Fall von Baugrubenumschließungen meist als nicht wesentlich eingestuft werden, wiederum mit der Folge, dass eine abZ nicht erforderlich ist.

Warum für Baugrubenumschließungen – abweichend von Langzeitanwendungen – üblicherweise kein Verwendbarkeitsnachweis und keine Bauartgenehmigung erforderlich sind, wird nachfolgend anhand zweier typischer Beispiele veranschaulicht.

1. Baugrubenumschließung aus Einphasenschlitzwänden mit eingestellten Fertigteil-Stahlbetonträgern bzw. Stahlträgern unter Ansatz der Gewölbewirkung innerhalb der ausgehärteten Suspension

Diese Bauart weicht von normativ geregelten Einphasenschlitzwänden bzw. Einphasenschlitzwänden mit eingestellten Fertigteilen (Bemessung nach DIN EN 1997 einschl. Nationalem Anhang bzw. DIN 1054, Ausführung nach DIN EN 1538 „Ausführung von Arbeiten im Spezialtiefbau – Schlitzwände“ dadurch ab, dass in den normativen Regelungen keine Kennwerte für die Druckfestigkeit der ausgehärteten Suspension für den Ansatz der Gewölbewirkung vorgesehen sind.

Die zur Bemessung fehlenden Kennwerte der Druckfestigkeit können aber z.B. in Anlehnung an DIN 4093 oder mit anderen üblichen Verfahren der Betontechnologie ermittelt werden.

Darüber hinaus sind die Einphasenschlitzwände nicht als dauerhafte Gründung des Bauwerks vorgesehen.

Eine Bewertung der Dauerhaftigkeit für den üblichen Nutzungszeitraum einer Baugrubenumschließung erübrigt sich in den meisten Fällen, da die Baugrubenumschließung einer kontinuierlichen Überwachung unterliegt.

Die Ausführung von Schlitzwänden bzw. Dichtwänden mit und ohne Fertigteile und die Überwachung der Suspension ist hinreichend über DIN EN 1538 geregelt. Im Bauzustand ist lediglich das unvermeidliche Austrocknen der freigelegten Flächen im Rahmen üblicher Baustellenkontrollen zu überwachen bzw. durch geeignete Maßnahmen zu beschränken, damit die für die Bemessung zugrunde gelegten Kennwerte in Bezug auf Geometrie und Druckfestigkeit gewährleistet bleiben.

Für diese Art der Baugrubenumschließung sind daher Verwendbarkeitsnachweise für die verwendeten Bauprodukte und Bauartgenehmigungen für die Bauverfahren nicht erforderlich.

2. Baugrubenumschließung aus pfahlartigen Tragelementen, errichtet im Bodenmischverfahren

Üblicherweise wird bei Bodenmischverfahren der anstehende Boden mit Wasser und Bindemittel vermischt und härtet aus. Diese Vermischung erfolgt zum Teil bis in große Tiefen mit unterschiedlichen Verfahren, die bisher nur teilweise geregelt sind (z.B. HDI). Die äußere Tragfähigkeit bei Tragelementen ist über Probebelastungen planmäßig zu überprüfen. Für die innere Tragfähigkeit muss hingegen sichergestellt werden, dass die Säulen zum einen die gewünschten Abmessungen in der jeweilig vorhandenen Bodenart sicher erreichen und zum anderen, dass auch in größeren Tiefen die Homogenität des Wasser/Boden/Bindemittelgemisches erreicht wird.

Bei Baugrubenumschließungen werden im Zuge des Baugrubenaushubs große Teile der hergestellten Tragelemente freigelegt und damit können die Abmessungen und die Homogenität sowohl optisch als auch durch Messungen direkt geprüft werden. Der Nachweis der inneren Tragfähigkeit kann mit wenig Aufwand an Bohrkernen erbracht werden.

Für diese Art der Baugrubenumschließung sind daher Verwendbarkeitsnachweise für die verwendeten Bauprodukte und Bauartgenehmigungen ebenso nicht erforderlich (vgl. §§ 16a Abs. 2 und 17 Abs. 1 MBO).

Fazit

Gemäß MBO sind Baugrubenumschließungen als Hilfseinrichtungen zur statischen Sicherung von Bauzuständen zu betrachten und somit eine bauliche Anlage. Die Einhaltung (Erfüllung) der sich daraus ergebenen bauaufsichtlichen Anforderungen lässt sich insgesamt für Baugrubenumschließungen, hergestellt mit typischen geotechnischen Gründungs- und Sicherungselementen, anhand Technischer Baubestimmungen und allgemein anerkannter Regeln der Technik  nachweisen. Daher sind bis auf wenige Ausnahmen für Baugrubenumschließungen Verwendbarkeitsnachweise für die verwendeten Bauprodukte und Bauartgenehmigungen für die Bauverfahren nicht erforderlich. Es ist lediglich sicherzustellen, dass die statische Bemessung fachkundig aufgestellt und hinreichend geprüft wurde und die Ausführung der bzw. die fertige Baugrubenumschließung für die Dauer der Maßnahme der Baustellenüberwachung unterliegt.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Dipl.-Ing. Bettina Hemme. Frau Hemme leitet das Referat I 6 Mauerwerksbau, Erd- und Grundbau, Bauwerksabdichtungen am DIBt.

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